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LAUTERBACHER ANZEIGER vom 17. Juni 2013

Im Gewölbekeller wackelten die Wände
Turbo Sapienowa“ trat in Eisenbach auf /
Balkan-Beats, Klezmer und Gypsyklassiker / Volles Haus und tanzendes Publikum

von Gerhard Otterbein

EISENBACH. „Ich habe das Gefühl, die feiern sich selbst“, schwärmte Dirk Kurzawa zur Konzertpause. Er war einer von vielen begeisterten Konzertbesuchern, die zur zweiten Veranstaltung des „Lauterbacher Kulturvereins“, welche im Gewölbekeller auf Schloss Eisenbach stattfand, gekommen waren. „Turbo Sapienowa“ sei die musikalische Leidenschaft aus dem Osten Europas, wurde angekündigt und östliche und südöstliche Musikwelten sollten sich auftun. Die Realität sah noch viel besser aus: Balkan-Beats, Klezmer, Gypsyklassiker und Welthits trafen auf die russische Seele und Lebensart. Diese Mixtur war hochexplosiv und drohte von Beginn an zu bersten. Bereits nach den ersten Stücken glaubte jeder in dem voll besetzten Raum, die Band sei nur aus einem einzigen Grund angereist, um die dicken Mauern des Gewölbes mit ihrem Temperament und ihrer Gabe, Musik zu machen einzureißen. Sechs junge Musiker aus Gießen und ein gebürtiger Lauterbacher ließen die „Russen-Party“ abgehen. „Charascho“ und von „Ochi chornyje“ (Schwarze Augen) sang Ina Gazolina, die Frontfrau der Formation, meist mit Constantin Pukownick, während Stephan Pussel (Lauterbacher und Wahlgießener) den Rhythmus anschlug. Ina heißt eigentlich Plesca. Laut Bandinfo soll sie aus Moldawien stammen. Daniel Mühlleitner (Gitarre) hat nachweislich fränkische Wurzeln und ist auch als Liedermacher in der Republik bekannt. Fallen die Namen Gefion Neudorf (Geige) und Artur Schulz (Kontrabass) ist der erste Gedanke bei Manchen Teufelsgeigerin und Hammerbassist, statt Moskau oder Kreml. Ob echte Russen oder lediglich osteuropäische Wurzeln, dem Lauterbacher Publikum war es schnurzegal. Hauptsache im Gewölbekeller zu Eisenbach wackelten die Wände. Besonders Constantin Pukownick wäre in der Lage gewesen, die US-Hymne als russisches Volkslied zu verkaufen. Im verschwitzten Unterhemd, mit der Fellmütze auf dem Kopf und dem Akkordeon in der Hand, war er noch am authentischsten. Sogar Iwan Reproff, Deutschlands bekanntestes Russen-Plagiat, wäre vor Neid erblasst. „Dawai, dawai!“, feuerte Constantin immer wieder die Musiker und das Publikum an. Ihm war es auch zu verdanken, dass der Bandname Programm war und das Publikum turboschnell rhythmisch in die Hände klatschte. Aber auch das Fach der Balladen beherrschten die Turbomusiker. Die Konsequenz? Gänsehaut!
„Johnny, tu n’es pas un ange“ – Was einst Edith Piaf gut und gern über die Lippen kam, hörte sich bei Goldkehlchen Nina ebenso emotional und wunderschön an.
Damit hatten besonders die Lauterbacher im Publikum spekuliert. Da war sie, zurück in der Heimat, Lauterbachs Samtstimme. Donna, Donna – das jüdische Lied vom Kälbchen, was zur Schlachtbank soll – sang Stephan Pussel zur Freude seiner Fans. „Those Were the Days“, ein Welthit aus den 60er Jahren, basiert auf dem russischen Volkslied „Dorogoi dlinnoyu“, folgte, in dem er Teile des Textes umgedichtet hatte, um seine Freude auszudrücken, vor heimischem Publikum singen zu dürfen.
„Vollgas“, lautete die Devise nach der Pause. Das Bedürfnis zu tanzen war vielen auf die Stirn geschrieben. Daniel Mühlleitner ergriff die Initiative, sprach es aus und ließ die Stühle in den vorderen Reihen beiseitestellen. Hauptsächlich die Damenwelt stürmte die freigewordene Tanzfläche. Lange genug hatte man Zurückhaltung propagiert. Jetzt fielen die Hemmungen. Lebensfreude flammte auf wie ein Strohfeuer. Freiwerdende Glückshormone berauschten, ohne die Alkoholdosis dem russischen Wodkadurst anzupassen.
Es scheint, dass es dem „Lauterbacher Kulturverein“ erneut gelungen ist, eine neue „Kultstätte“ aufzutun, der das nötige Flair anhaftet, um allen Arten von Kunst ein Podium für den Sommer zu bieten. Zwar ist die „Kulturstation“ nicht vergessen, aber dennoch ist sie Geschichte. Eisenbach als erweitertes Zentrum von Kunst und Kultur. Der Gedanke wäre gar nicht so abwegig. Zumal Ende Juni das 3. Eisenbacher Sommer-Kulturfestival stattfinden wird. Der Gewölbekeller sei ein weiterer guter Grund, dem altehrwürdigen Schloss einen Besuch abzustatten, lauteten viele Meinungen. Begrüßt wurde auch das Catering der angrenzenden Gaststätte „Burg Post“, welche zukünftig die Kultur im Gewölbe mit Kulinarischem ergänzen wird.
Wer „Turbo Sapienowa“ verpasst hat oder noch einmal live erleben möchte, der kann das am 14. Juli, am Schlitzer Trachtenfest, um 14 Uhr.

Fotos: Otterbein