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Ensemble Nereden am 22.11.2013 in der Aula der A.-v.-Humboldt-Schule

Lauterbacher Anzeiger

 

Musikalische Spaziergänge
Ensemble Nereden überzeugte mit Konzert in Lauterbach


Von Martin G. Günkel

Eindrucksvolle musikalische Spaziergänge durch verschiedenste Länder, inszeniert mit zwei Streichinstrumenten und Percussion – das bietet das Ensemble Nereden. Mit einem umjubelten Konzert dieser Formation in der Aula der Alexander-von-Humboldt- Schule in Lauterbach endete die diesjährige Spielzeit des Lauterbacher Kulturvereins. Dessen neues Jahresprogramm steht kurz vor der Fertigstellung.Nereden ist ein Quartett. Allerdings war Percussionistin Nora Thiele krankheitsbedingt ausgefallen, so dass Peter Kuhnsch diesen Part alleine übernehmen musste. Wie immer spielte Cenk Erbiner Bratsche und Hui-Chun Lin Cello. Auch wenn die meisten Besucher sicher gerne gehört hätten, wie gut die Musik der Band erst mit zwei Percussionisten klingt, gelang es den verbleibenden drei Musikern dennoch, eine in sich stimmige, höchst sinnliche Musik auf die Bühne zu zaubern.Die Türkei, Japan, Indien, der ferne Orient – überall dorthin nahmen die Musiker ihr Publikum mit. Das war stets mit unterschiedlichen Arten von Melodik und Harmonik verbunden. Gleichwohl gelang es den Musikern, ihr Programm als Einheit, als stimmiges Ganzes darzubieten. Denn sie nehmen zwar unterschiedlichste musikalische Komponenten auf, verarbeiten sie aber stets auf ganz eigene Weise.Die allermeisten Stücke sind von Nereden selbst oder von einzelnen Musikern des Ensembles geschrieben. Bei ihnen handelt es sich um Programm-Musik im Sinne Franz Liszts: Die Stücke sind an irgendeiner vorher festgelegten, außermusikalischen Geschichte entlang komponiert.



Während jedoch Liszt durch Verweise auf seine jeweilige literarische Vorlage offenlegt, wofür seine Musik steht, verzichten die Musiker von Nereden in ihren Konzerten zumeist darauf, die Geschichten hinter den Stücken zu erzählen.Wie sie dem Publikum erklärten, soll jeder Hörer die Möglichkeit haben, seine eigenen inneren Bilder zur Musik zu erleben. Wenn sie überhaupt einmal die Geschichte hinter einer Musik offenlegten, dann nur, um einen kleinen Einblick in ihre Arbeitsweise zu geben und dem Publikum die Möglichkeit zu bieten, die eigenen Assoziationen mit denen des Ensembles zu vergleichen.Mit einem Spaziergang durch Istanbul begann das Konzert in Lauterbach.
Gleich in diesen ersten Minuten bestach das Zusammenspiel der drei Musiker. Peter Kuhnsch spielte hoch komplexe Figuren und Texturen, die gleichwohl geordnet, locker und damit eingängig waren. Alle drei Musiker spielten sehr eigenständige Parts, die sie ebenso stimmig wie lebendig miteinander verwoben. Indem sie alle drei in einem lockeren Groove spielten, hielten sie ihre Musik zusammen, gaben sie ihr Klarheit.Peter Kuhnsch hatte Percussion-Instrumente aus aller Welt mitgebracht, mit denen er den Stücken ihren Herzschlag gab. In Iran und Osttürkei ist die Daf beheimatet, eine Rahmentrommel mit kleinen Kettchen am gesamten Holzrahmen, die für zusätzliche klangliche Texturen und Farben sorgen.
Ebenfalls aus dem Orient stammt die Darabuka, eine Trommel, die Peter Kuhnsch sehr häufig einsetzte.Auch Schlagwerk aus dem Westen hatte er dabei: eine kleine Snaredrum sowie Splash-, Crash- und Ride-Becken. Als Basstrommel diente ihm ein per Fußmaschine gespieltes Cajon. Tempelblocks aus dem fernen Osten sorgten für besonders reizvolle Klangfarben. Immer mit dabei: Eine Fußrassel, die einzeln kaum herauszuhören war, aber dennoch sehr effektiv für bunte Farben im Klang sorgte.So sehr wie die Percussion war auch das Zusammenspiel der beiden Streicher voller Feinheiten. Egal in welcher Art der Melodik, die beiden Musiker spielten einander Bälle zu, einer spielte dem anderen feinfühlige Unterlagen, beide verwoben ihre Parts – je nachdem, was sich gerade anbot. Tänzerisches, Träumerisches, Melancholisches – all das setzten sie feinsinnig um.Bratsche und Cello, aber keine Geige – es gibt nicht allzu viele Ensembles mit dieser Instrumenten-Besetzung. Nicht umsonst nannten Hui-Chun Lin und Cenk Erbiner den Komponisten Paul Hindemith als einen wichtigen Inspirator von Nereden. Hindemith war nämlich in seinen frühen Jahren unter anderem als Geiger tätig, entdeckte aber sehr bald, dass ihm die Bratsche lieber war. Nicht nur, dass er als Interpret zur Bratsche wechselte. Auch als Komponist rückte er sie ins Zentrum, schrieb (und spielte) Konzerte für Bratsche und Orchester und räumte diesem Instrument auch in seinen Streichquartetten eine exponiertere Rolle ein, als das bei den meisten anderen Komponisten der Fall ist.Passend zu ihrem programmatischen Ansatz haben die Stücke von Nereden meist mehrere Abschnitte, die dramaturgisch übrigens hervorragend aufeinander abgestimmt sind. Die Grundstrukturen dienen als Basis für Improvisationen. In einigen der Stücke sackte die Musik bewusst in eine reine Soundcollage ab, die dann meist sehr entrückt war.Beeindruckend wirkte es, wenn die Band daraus dann wieder Rhythmus, Harmonie und Melodie erwachsen ließen. Erwähnenswert ist auch, wie gut sowohl die Musiker als auch Tonmischer Norbert Ludwig damit zurechtkamen, dass die Akustik der Aula keinerlei Hall zu bieten hat.