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Juden mussten sich als Hausierer durchschlagen

Katharina Jacob schilderte bedrückendes Leben jüdischer Handelsleute im 19. Jahrhundert – Judenpfad im Entstehen


Feldatal-Kestrich (jol). Armselig haben sie gelebt – zumindest die meisten: Von der bedrückenden Welt der jüdischen Kleinhändler in den Jahren zwischen 1800 und 1870 berichtete am Mittwochabend Katharina Jacob in der Alten Synagoge Kestrich. Vor einem vollen Saal mit annähernd 80 Gästen erinnerte die Archiv-Detektivin daran, dass den Juden damals nur der Kleinhandel offen stand, Handel mit Kleidung, Kurzwaren oder einem einzelnen Stück Vieh. Alles Andere war an Zünfte gebunden, in die Juden nicht aufgenommen wurden. Dazu kamen zwischen 1832 und 1855 mehrere Missernten, in der Folge wanderten viele Vogelsberger aus – überdurchschnittlich viele waren jüdisch.


Uwe Offhaus begrüßt die Referenten und das Publikum

In seiner Begrüßung freute sich Hausherr und Bürgermeister Ernst-Uwe Offhaus über den guten Besuch der Veranstaltung vom Verein Historisches Feldatal und dem Förderverein Jüdische Geschichte. Daniela Eichelberger gab einen kurzen Überblick über das Projekt Judenpfad, für das Jacob und sie arbeiten.


Kathrin Jacob und Daniela Eichelberger, das Team zur Erforschung, Einrichtung und Bewerbung der Judenpfade

Juden waren oft Händler und viel unterwegs, da lag es nahe, an die Landjuden mit einer Ausstellung an Wanderwegen zu erinnern. Nun sollen diese »Judenpfade« mit Hinweistafeln im Bereich Ulrichstein/Kestrich, bei Angenrod und Kirtorf eingerichtet werden. Da knüpfte Jacob an, die sich besonders den jüdischen Händlern gewidmet hat. Die Bauern im 19. Jahrhundert waren überaus sesshaft, den Verkauf von Vieh übernahmen die Juden, die nicht als Handwerker oder Bauern arbeiten durften. Der »Viehjude« kannte seine Bauern, wusste wann eine Kuh kalbte und besorgte Käufer. Einige arbeiteten in Kestrich auch als »Metzger, die nicht ständig schlachteten« – wenn sie hauptberuflich Fleisch verarbeitet hätten, wäre die Metzgerzunft vor Gericht gezogen, wie das damals durchaus vorkam. Hintergrund war, dass jüdische Metzger Tiere mit einer scharfen Klinge so schlachteten, dass diese vollständig ausbluteten. Teile des Tieres, die als unrein galten, durften an Nicht-Juden verkauft werden. Den Juden blieb nur der Kleinhandel, sie zogen mit der Kiepe auf dem Rücken zum Markt in Ulrichstein oder liefen gar von Kestrich nach Lauterbach, »eine echte Quälerei«. Zumal die Freiherren von Riedesel in Lauterbach keine Juden über Nacht duldeten. Materielle Not und eventuell Ärger im Ort bewegte Mitte des 19. Jahrhunderts viele Juden zur Auswanderung in die USA. Bei Juden in Romrod und Kirtorf war es wohl »die drückende Armut«, aber auch Begüterte wanderten aus. So reiste der nicht ganz so arme Isaak Schwerin 1856 über den großen Teich, er hatte als Handelsmannn in Kestrich gelebt.


Dicht drängte sich das Publikum in der Kestricher Synagoge

Jacob führte auch Kurioses auf, wie 1679 den Überfall auf »Jud Löw« bei Romrod, dem 50 Taler geraubt wurden. Als die drei Täter gefasst waren, gab es ein Gerangel um die Ehre, wo sie aufgehängt werden sollten. Ans Herz ging das Schreiben einer gichtkranken 56-jährigen Romröderin, die mit Verweis auf ihre Armut um Erlass des Juden-Schutzgeldes bat. In den Archiven fand Jacob viele Belege für die hohe Verschuldung von jüdischen Familien. In Kirtorf gründete man deshalb einenVerein zur Ausbildungshilfe für Jugendliche.


Die Referentin des Abends Kathrin Jacob ..................................................Norbert Schlage (re.) vom Lauterbacher Antiquariat "Buchecke a. d.
......................................................................................................................Lauter" stellte einen Büchertisch zusammen.

 

Text: Joachim Legatis , Bilder und Bildunterschriften: Martin Krauss