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Auch ab Januar gibt es zwei Musikschulen in Lauterbach
Übergabe der städtischen Musikschule und Neuformierung sind in vollem Gange

Am 21. September 2010 hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Lauterbach beschlossen, die Musikschule der Kreisstadt Lauterbach zum 31. Dezember zu schließen und in Zukunft mit der privat geführten Musikkulturschule gGmbH zu kooperieren. Allen Lehrern der städtischen Musikschule wurde angeboten, einen Vertrag bei der Musikkulturschule abzuschließen. Die Schüler erhielten ein Sonderkündigungsrecht bis zum 19. November dieses Jahres. Wer dieses Recht nicht in Anspruch nahm, dessen Vertrag ging automatisch an die Musikkulturschule über.
Lehrer und Schüler mussten sich also entscheiden, ob sie den von den Stadtverordneten vorgezeichneten Weg mit gehen wollten. Bei manchen ist diese Entscheidung offenbar bis heute nicht gefallen, sie wollen abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Gerade für sie ist es wichtig zu erfahren, wie die Übergabe einerseits und die Gründung der Lauterbacher Musikschule andererseits fortschreiten.
Der LA führte daher Gespräche mit allen Verantwortlichen, die an diesen Veränderungen beteiligt sind: mit der Stadt Lauterbach, vertreten durch Abteilungsleiter Erwin Fauß, mit den Geschäftsführern der Musikkulturschule Helmut Ströher und Annette Deibel, mit den beiden Vorsitzenden des Trägervereins der Lauterbacher Musikschule, Jürgen Pfeiffer und Klaus Scheuer, sowie mit dem Landesgeschäftsführer des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM), Hans Joachim Rieß.
Auf die Frage, wieviele Schüler der städtischen Musikschule von ihrem Sonderkündigungsrecht gebrauch gemacht haben, erklärte Erwin Fauß, dass es in diesem Zusammenhang schwierig ist, von Schülerzahlen zu sprechen, da ja manche Schüler mehrere Angebote der Musikschule in Anspruch genommen hatten. Man müsse daher von Belegungen sprechen. Bis zum Ende der Kündigunsgfrist hätten 402 Schüler zum Stift gegriffen und ihre Belegungen gekündigt, 329 Belegungen seien der Musikkulturschule übergeben worden. Dabei ist allerdings nicht aufgeschlüsselt, was kostenpflichtige Belegungen sind und was solche, bei denen keine Gebühren anfallen, wie z.B. bei Spielkreismitgliedern.
Fauß geht davon aus, dass es durch die anstehende Sanierung des Alten Esels zu keinen Zeitverzögerungen kommt. Sollte die Sanierung aber wider Erwarten doch an technischen Problemen oder der Finanzierung scheitern, so müsse sich die Musikkulturschule andere Räume suchen. Von Seiten der Stadt gebe es ansonsten bei der Übergabe der städtischen Musikschule an die Musikkulturschule keine Probleme.
Annette Deibel und Helmut Ströher, die Geschäftsführer der Musikkulturschule, bestätigten die Zahl der übergebenen Belegungen. 16 Lehrkräfte der städtischen Musikschule hätten inzwischen einen Vertrag bei ihnen unterzeichnet. Diese Zahlen blieben zwar bei weitem hinter ihren Erwartungen zurück, da die Gründung einer anderen Musikschule nicht absehbar gewesen sei, ein Problem stelle das für die Musikkulturschule allerdings nicht dar. Von Ensemblearbeit abgesehen habe die Musikkulturschule schon vorher alle Bereiche abgedeckt. „Wir sind groß“, betonte Annette Deibel und verwies auf eine Gesamtzahl von über 800 Belegungen, wenn auch an allen 24 Unterrichtsorten in Vogelsberg, Rhön und Hersfeld-Rothenburg zusammen. Ob und welche Instrumente von der städtischen Musikschule übernommen werden, entscheide sich erst ab Januar. Auf jeden Fall werde man Räume im Alten Esel beziehen, dort soll ab Januar dann auch Unterricht stattfinden. Langfristig plant die Musikkulturschule sogar, sich nach der Sanierung ganz auf den Alten Esel zu konzentrieren und das Gebäude am Wörth aufzugeben.
Auch bei der Musikulturschule werde es in Zukunft (von der Stadt finanzierte) Sozialermäßigungen und Ensembles geben, wenn auch keine Big Band, die ohnehin schon in Auflösung begriffen gewesen sei. Die von Helmut Ströher in der Stadtverordnetenversammlung als „problemlos“ bezeichnete Aufnahme in den VdM laufe noch, die Zusammenarbeit mit den Schulen werde wie bisher und im bisherigen Umfang fortgesetzt.
Aus dem Förderverein der städtischen Musikschule ist inzwischen der Trägerverein für eine neue, die „Lauterbacher Musikschule“ geworden. Von großem Engagement der Bevölkerung getragen konstituiert sich die neue Musikschule in den Räumen der ehemaligen Wollspinnerei Ungemach in der Lauterstraße und wird nach den Weihnachtsferien ihren Lehrbetrieb aufnehmen. In diesem Monat sind auch noch weitere Aktivitäten geplant. Der Schulleiter der Lauterbacher Musikschule wird bis dahin vom Trägerverein bestimmt, bisher erledigt der Vereinsvorstand kommissarisch die Verwaltung. Wie bei der städtischen Musikschule gibt es Unterrichtsverträge, die entsprechenden Gebühren können eingezogen werden, Schulordnung und Gebührentafeln sind bereits auf der Internetseite der Lauterbacher Musikschule veröffentlicht.
Der zweite Vorsitzende des Trägervereins, Klaus Scheuer, berichtet, dass 18 der 35 Musiklehrer der städtischen Schule in Zukunft bei der Lauterbacher Musikschule unterrichten werden, darunter vor allem die mit vielen Unterrichtsstunden. Noch vor Beginn der eigentlichen Unterrichtstätigkeit seien über 200 Belegungen registriert worden. Wichtige Ensembles könne die Lauterbacher Musikschule ab Januar anbieten: eine neu belebte Big Band, einen Chor, Gitarren-, Blockflöten- und Percussionsensemble sowie die Musikalische Früherziehung. Die Lauterbacher Musikschule übernimmt auch bei der Kooperation mit Schulen den Part, den bisher die städtische Musikschule inne hatte. Die Schulleiterin des Gymnasiums Gitta Holloch habe erklärt, zukünftige Kooperationen hingen davon ab, wie sich die Abwicklung im laufenden Schuljahr gestalte.
Mit der Lauterbacher Musikschule will der Vorsitzende des Trägervereins, Jürgen Pfeiffer, „Altes bewahren und Neues wagen“. Durch den Wegfall der städtischen Trägerschaft komme neues, kreatives Potential zum Tragen, der Geist der bisherigen städtischen Musikschule, die nach Pfeiffers Ansicht ein hohes Kulturgut darstellte, solle bewahrt werden. Hinzu kommen Visionen für die Zukunft, z.B. weitreichende Kooperationen mit anderen lokalen Kulturträgern, wofür das neue Gebäude exzellente Möglichkeiten biete.
Um die Chancen beider Lauterbacher Musikschule auf Mitgliedschaft im VdM zu klären, führte der LA ein Gespräch mit dem Landesgeschäftsführer des VdM, Hans Joachim Rieß. Dieser erklärte, von einem Antrag auf Mitgliedschaft im VdM durch die Musikkulturschule sei ihm nichts bekannt, nach seiner persönlichen Einschätzung käme dies für eine eigentümergeführte Musikschule kaum in Betracht. Entschieden werde das allerdings im Bundesvorstand. Die Lauterbacher Musikschule habe einen entsprechenden Antrag gestellt, dieser habe beste Chancen auf Bewilligung. Ein formales Kriterium verbiete allerdings die Aufnahme neu gegründeter Musikschulen in den VdM, so dass erst gegen Ende 2011 mit einer Aufnahme zu rechnen sei. Eine Einschätzung, die der Lauterbacher Musikschule inzwischen auch schriftlich vorliegt. Im Schreiben des Bundesgeschäftsführers Matthias Pannes vom 24. November schreibt dieser: „In seiner Sitzung am 18. November 2010 befasste sich der Bundesvorstand mit dem Aufnahmeantrag und bescheinigt der Musikschule eine positive Prognose für eine Mitgliedschaft im VdM.“
Die VdM-Mitgliedschaft ist für Musikschulen von hoher Bedeutung, denn der VdM entscheidet mit über die Vergabe von Landesfördermitteln vom Hessischen Kultusministerium. Mit solchen Mitteln wird z.B. in der Gudrun-Pausewang-Schule in Maar das JeKi-Projekt („Jedem Kind ein Instrument“) gefördert. Hier sieht sich der VdM nach Aussage von Hans Joachim Reiß derzeit etwas in der Zwickmühle, weil formal beide Lauterbacher Musikschulen derzeit als Träger nicht in Frage kommen. Der VdM wird jedoch nach Möglichkeiten einer Interimslösung suchen, damit das Projekt nicht mitten im Schuljahr abgebrochen werden muss.

Martin Krauss