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Romantische Kunstlieder zur Eröffnung der Musiktage
Der Tenor Marcus Ullmann gewann mit Schumann die Herzen des Publikums

Erstmals seit den ersten Musiktagen im Jahr 1972 eröffnete nicht Karin Sachers, sondern die aktuelle Lauterbacher Kirchenmusikerin Claudia Regel die Lauterbacher Pfingstmusiktage. Keine leichte Aufgabe, ein solch etabliertes und erfolgreiches Unternehmen fortzuführen und dabei eigene Akzente zu setzen. Doch das Programm der 38. Ausgabe des Musikfestivals braucht keinen Vergleich zu scheuen und das Festival befindet sich offenkundig auf einem guten Weg. Auch die Zuschauerzahl beim Eröffnungskonzert im Rokokosaal des Hohhauses zeigte, dass die Musiktage weiterhin gut angenommen werden.



Und das, obwohl die Sparte Kunstlied nicht gerade zu den massenwirksamen gehört. Musik aus der Romantik hingegen erfreut sich bei Klassik-Liebhabern ungebrochener Beliebtheit, und der erfolgreiche Tenor Marcus Ullmann hatte ausschließlich Lieder von Robert Schumann (1810-56) im Gepäck.
Umrahmt von Liedern nach Texten von Heinrich Heine (1797-1856) präsentierte Marcus Ullmann, am Klavier begleitet von Klaus Melbert, gleichsam die Prototypen romantischer Liedkunst, nämlich Schumanns Vertonungen von Texten Eichendorffs (1788-1857). Hier kommt nahezu alles zum Tragen, was die künstlerische Gedankenwelt der Epoche ausmachte: Sehnsucht, Heimweh, Einsamkeit, Melancholie, Trauer, Naturschwärmerei und nicht zuletzt auch die Faszination, die der Schauder oder Schrecken ausübt. Zahlreiche bis heute gültige Gemeinplätze wurden in dieser Kunstphase angelegt.
Nun hat das alles freilich nichts mit der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes "Romantik" zu tun, die uns heute an Abendessen bei Kerzenlicht und dergleichen denken läßt. Denn die Gefühle von Vereinsamung und Entfremdung von der Natur, der Trauer und Kälte wurden in jener Zeit keinesfalls verklärend gemeint, sondern real empfunden, und deswegen war es gut, richtig und höchst ausdrucksstark, dass Ullmann seinen Vortrag bei diesen Liedern frei von Ironie und auch nur ansatzweiser Überzeichnung hielt.



Markant, artikulatorisch lupenrein, interpratatorisch stets auf der Höhe und mit exquisiter Stimme gelangen diese Eichendorff-Vertonungen in großer Unmittelbarkeit und Intensität. Ullmann verstand es, seine Stimme flexibel einzusetzen, ihr das richtige Maß zu geben und die Töne mit schöner Klangfarbe zu belegen, brachte Schärfe oder Weichheit, Kraft oder Ruhe eindringlich zur Entfaltung. Die Klavierbegleitung durch Klaus Melber verriet ein hohes Maß an beidseitiger Vertrautheit und intensiver Einstudierung und vermochte daher ihre Begleiterfunktion zu erfüllen. Vor allem in reinen Klavierpassagen kam sie jedoch teilweise etwas zu spröde daher.
Nicht ohne Ironie kam der Vortrag natürlich bei den Vertonungen nach Heinrich Heine aus, war dieser doch nicht nur ein Träumer, sondern auch ein Spötter und höchst aufgeklärter Weltmann. Das tief empfundene Gefühl fand man bei diesen Liedern auch, etwa in "Es fiel ein reif in der Frühlingsnacht", dem Ullmann, wie bei vielen der Lieder, überraschend viel Zeit gab, die Musik beinahe spreitzte, was dem Duktus der Verse bestens anstand. Aber auch Ironie, Selbstironie und Sarkasmus liegen in den Versen dieses Poeten, und Ullmann scheute keineswegs davor zurück, auch diesen Elementen klanglich Ausdruck zu verleihen. Ein entsprechend tiefes Musikerlebnis war die erfreuliche Folge für das Publikum, das dem famosen Interpreten ausdauernd applaudierte und damit Zugaben erfocht, darunter ein bisher kaum bekanntes Schumann'sches Wiegenlied.