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Kunst einer fremden Kultur mit Ausstahlung und Inhalt für unsere
Vortrag über „Bakuba – Kunst aus Afrika“ vermittelte Zugang zu eigenwilliger Ästhetik

Seit Anfang März war im Lauterbacher Hohhaus die Ausstellung „Bakuba – Kunst aus Afrika“ zu sehen, in der anhand zahlreicher Stücke aus der Sammlung von Josef Mayer die Ästhektik aus dem Königreich Bakuba, heute in der sogenannten „Demokratischen Republik Kongo“ gelgen, vorgestellt wird. Neben einigen Gegenständen vor allem ritueller Art sind dies in erster Linie textile Werke, relativ kleine, gewebte und bestickte Matten aus dem Bast der Raffiapalme in Erdtönen mit zunächst recht komplex geometrisch anmutenden Mustern, die zwar viele Besucher sponatan an moderne Stoffmuster z.B. des Art Déco (eine Kunstrichtung, etwa von 1920-1940) erinnerten, sich aber kaum auf den ersten Blick erschlossen.



Spätestens jedoch nun, nach dem Vortrag der Ethnologin Marion Philomena Kuchenbrod (M.A.) war den recht zahlreichen Besuchern bewusst geworden, dass es dem Museumsleiter Dr. Georg Striehl mit dem Bakuba-Thema gelungen war, eine hoch interesasnte Ausstellung nach Lauterbach zu holen. Denn bei den als „Plüsch“ bezeichneten, kleinen Matten handelt es sich um hochrangige Kunstwerke, die seit fast hundert Jahren deutlichen Einfluss auf die europäische Kunstentwicklung haben.
Marion Kuchenbrod zeigte zunächst an einer Karte die geografische Lage und die Größenverhältnisse auf. Inmitten Afrikas bildet das Gebiet der Bakuba einen recht kleinen Fleck, der jedoch in etwa die Größe von ganz Europa ausmacht. Klar gegliedert und mit reichhaltigem Bildmaterial fühte die Ethnologin und Kunstexpertin dann in das Thema ein.
Die historischen Textilien sind mit asymmetrischen, weitgehend freien Mustern und Figuren bestickt. Anhand einiger Bildbeispiele wurde der Einfluss der Volkskunst auf die Werke von Max Ernst, Paul Klee, Pablo Picasso und anderer namhafter Künstler unübersehbar. Ein altes Foto von dem Atelier von Matisse zeigte, dass auch er Bakuba-Matten an den Wänden hatte. In den 1920-er und 30-er Jahren waren aus der damaligen Kolonie Belgisch Kongo viele Textilwerke nach Brüssel und Paris gelangt und stießen auf hohe Beachtung.
Die Bakuba selbst bildeten in Zentralafrika ein Königreich aus mehreren Stämmen, in das vor 1890 nie ein Fremder gelangt war. Sie lebten relativ abgeschlossen und waren den Völkern in der Umgegend offenbar kulturell deutlich überlegen (während sie kaum durch kriegerische Aktionen auffielen, was einen gewissen Zusammenhang vermuten läßt). In dem fruchtbaren Landstrich gedeiht u.a. die Raffia- oder Bastpalme, deren Fasern von den Männern zu Matten gewoben und von den Frauen aufwändig bestickt wurden. Diese kunstvollen Matten hatten eine hohe Bedeutung, da sie auf eine stark verdichtete und vereinfachende, dabei dennoch komplexe und höchst kreative Form vorwiegend mythologische Inhalte transportierten und philospohischer Gedanken Ausdruck verliehen.
Die Muster dieser Matten ziehen sich folgerichtig durch viele Lebensbereiche der Bakuba und finden ihren Niederschlag im Hausbau, in den Formen ihrer Schmucknarben und natürlich auch in der traditionellen Kleidung aus dem selben Material. Als Elemente der Bakuba-Ästhetik verwies Marion Kuchenbrod auf die stets wiederkehrende Diagonale als Grundrichtung, auf den künstlerisch eindrucksvoll umgesetzten Gedanken des Dualismus in Farb- und Formgebung, auf die ineinander Verschränktheit der Linien und das kreative Aufbrechen der Symmetrie, das dazu führt, dass man als Betrachter beim ersten Blick meint, das Muster erkannt zu haben, dann aber erst im Detail die Feinheiten findet. Insgesamt eine Form der abstrakten Kunst, die in ihrer Tiefe überrascht.
Marion Kuchenbrod, die selbst das Bakuba-Reich bereist hatte, musste leider auch darauf hinweisen, dass die Kunst dieses Volkes am Aussterben sei, da der kulturelle Hintergrund bröckele, und das zu einer zeit, in der weder die Bedeutungsebene der Stickereien noch ihr Einfluss auf die europäische Kunst ausführlich erforscht worden ist.
Vor allem die Werke Paul Klees waren es dann, anhand derer die Spuren der Bakuba-Kunst in der europäischen dargestellt wurden und die das Publikum noch zu einer regen Diskussion und hinterher nochmals – mit sicher anderen Augen – zu einem finalen Rundgang durch die Ausstellung veranlassten. Applaus, Dank und Anerkennung galten der Referentin für einen kurzweiligen und informativen Vortrag, der geeignet war, die eigene Perspektive auf Kunst und Ästhetik um einen ungewöhnlichen Aspekt zu erweitern.

Martin Krauss