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Händels Oratorium besonders eindringlich und schön interpretiert
Karin Sachers feierte großen Erfolg mit „Israel in Ägypten“ in der Lauterbacher Stadtkirche

Man hat das Oratorium „Israel in Egypt“ von Georg Friedrich Händel (1685-1759) schon pompöser gehört, prächtiger und mächtiger, deswegen aber keinesfalls besser. Die Aufführung des zweiteiligen Werkes über die biblische Geschichte des Volkes Israel in ägyptischer Gefangenschaft, über die Plagen, die der Herr den Ägyptern gesandt hat, über die berühmte Flucht durch das Rote Meer, in dem die Verfolger dann ertrinken und das anschliessende Gotteslob durch Moses als Anführer des auserwählten Volkes, diese Aufführung in der neu renovierten Lauterbacher Stadtkirche war anders als viele, aber sie war sicher eine der eindringlichsten und schönsten Interpretationen dieses Werkes.
Das Oratorium wurde in Originalsprache gesungen, also auf Englisch, wie es Händel, der seit 1712 in London lebte und arbeitete, konzipiert hatte. Das Textheft mit Übersetzung erlaubte dem Publikum, dem Inhalt mühelos zu folgen. Es war wohl das letzte große Konzert unter der Einstudierung und Leitung von Lauterbachs Kirchenmusikerin Karin Sachers, und sie hatte dazu ein großes und namhaftes Aufgebot an Künstlern vereint.
Ein guter Griff war bereits das Barockorchester „Le Concert Lorrain“, das erst im Jahr 2000 gegründet wurde und heute unter der leitung von Anne-Catherine Bucher und Stephan Schultz steht. In relativ kleiner Besetzung auf Barockinstrumenten, die ja etwas weniger kraftvoll und brillant klingen als die modernen, schufen die kompetenten Musiker einen markanten und dynamischen Klangkörper, der sich an rhythmischer Prägnanz noch über den Konzertverlauf hin steigerte. Nicht unwesentlich trug das sichere und fein akzentuierte Spiel von Helene Lerch am Cembalo zum Zusammenhalt bei. Und wer bisher geglaubt hatte, auf Barocktrompeten könne man nicht ganz sauber spielen, der wurde eines besseren belehrt.

Karin Sachers hatte auch fünf namhafte Gesangssolisten verpflichtet. Die Sopranistin Gabriele Hierdeis kannte man in lauterbach schon, und wieder begeisterte sie mit bestechend reinem und erstklassig artikuliertem Gesang. Ihre Fachkollegin Isabelle Müller-Cant stand dem höchstens ein wenig in der stimmlichen Tragkraft nach, keinesfalls aber in der Technik und dem Wohlklang ihrer Stimme. Ausgezeichnet gefiel der Altus Jürgen Banholzer, bei dem man stets ein wenig traurig war, wenn sein Part endete, so klar, rein und scheinbar mühelos erklangen seine Arien. Der Tenor Daniel Sans hinterließ zunächst einen etwas zwiespältigen Eindruck, klang er etwa bei der Arie Nr. 28 „The enemy said, I will persue...“ leicht scharf und gepresst. Aber in dieser Arie ist der Sänger gleichsam Kriegsberichterstatter und Sans füllte diese Rolle entsprechend aus. Im bald folgenden Duett mit dem Altus, in dem es um die Gnade Gottes geht, klang er ganz weich und anschmiegsam. Was zuerst eine Schwäche schien, war tatsächlich Stärke des Ausdrucks.
Makellos auch die Leistung der beiden Bässe Thomas Wiegand und Thomas Walther, die mit ihren Stimmen mühelos in den hintersten Winkel der großen Kirche drangen.

Hauptakteur solcher Konzerte ist jedoch stets der Chor, der sich aus der Lauterbacher Kantorei und der erfreulich starken Jugendkantorei zusammen setzte. Dieser Chor hat es bei „Israel in Egypt“ wahrlich nicht leicht. In manchen Passagen nahezu unbegleitet, in anspruchsvoller Rhythmik und an Stellen, an denen es sehr auf den Ausdruck ankommt, etwa wenn die Feinde Israels in die Tiefen des Meeres sinken wie Steine, hätte es hinreichend Möglichkeiten zu unfreiwilliger Komik oder verschleppten Einsätzen gegeben. Nichts davon war zu spüren. Durch das ganze Oratorium hindurch gab es fast keine Schwachstellen, der Chor klang sicher, präzise, kraftvoll, recht gut ausgewogen unter den Stimmen und allezeit ausdrucksstark.
Letzteres zeigt die hohe Qualität der Einstudierung durch Karin Sachers, welche die Aufführung am Dirigentenpult stets sicher und beweglich im Griff hatte. Es gelang ihr, den Spannungsbogen keine Sekunde klang abfallen zu lassen, und die Kraft der Künstler reichte noch für ein Finale in angemessener, alttestamentarischer Wucht.

Aus dem Publikum, das fast alle Bänke der Stadtkirche füllte, war danach mehrfach zu hören, dass dieses Konzert mehr als viele andere die Aufmerksamkeit gefesselt habe und dass die Musik besonders eindringlich gewesen sei. So zeigte sich, dass hohe Qualität der Musiker und der Einstudierung auch ihren Niederschalg im Erlebnis des Publikums findet, das zum Abschluss allen Teilnehmern lange und donnernd applaudierte. Stehende Ovationen erntete Karin Sachers, nicht nur, weil ihr Pfarrer Klaffehn nach dem Konzert noch mit einem Blumenstrauß zum Geburtstag gratulierte. Mit diesem Konzert hat die Lauterbacher Kirchenmusikerin erneut Maßstäbe gesetzt.

Martin Krauss