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Karl Jenkins Requiem beeindruckte tief beim Eröffnungskonzert in Nieder-Moos
Linda Horowitz leitete eine brillante Aufführung der zeitgenössischen komposition

Das Eröffnungskonzert zur Jubiläumssaison „30 Jahre Orgelkonzerte Nieder-Moos“ wurde vom Intendanten Alexander Eifler auf der Denkmalsorgel von 1791 eröffnet. Nicht etwa, weil die Orgelkonzerte kein Geld mehr hätten und Eifler jetzt selbst spielen muss (obgleich die letzte Saison in der Tat verlustreich war), sondern weil das erste Konzert 1978 ebenfalls von Eifler gehalten wurde.
Dieser betonte, er sei ein einfacher Kirchenorganist und spiele nur, damit die Zuhörer deutlich den Unterschied zu den hochklassigen Orgelkünstlern feststellen könnten, die inzwischen in Nieder-Moos gastiert haben. Bei „Immortal Bach“ von Knut Nystedt (* 1919 in Oslo) bestätigte sich dies. Eifler ist kein Virtuose, sondern ein Gemeindeorganist – aber immerhin kein schlechter. Er interpretierte das nicht ganz einfache Stück sauber und flüssig und verhalf der Denkmalsorgel somit zu ihrem gebührenden Part.



Mit etwa 65 Sängerinnen und Sängern war der „German-American Community Choir“ aus Frankfurt angereist. Unter der Leitung von Linda Horowitz gab man „Komm süßer Tod“ und „Warum ist das Licht gegeben...“ von Johannes Brahms (1833-97). Bei diesen geistlichen Liedern kommt es vordringlich auf die Tempogestaltung und Phrasierung an. Horowitz’ sparsames, dabei eindeutiges Dirigat brachte den Chor, der sich technisch auf hohem Niveau zeigte, zu einer beeindruckenden Intonation und damit zu ungeschmälerter Umsetzung der Tiefe der Werke. Stabilität, Kraft und exzellente Artikulation zeigten sich als Stärken des Chores.



Schließlich stellte sich das „Südhessische Kammerorchester“ zunächst mit 14 Streichern und Harfe vor. Der Satz aus der Symphinie Nr. 5 von Gustav Mahler (1860-1911) erklang fließend, dabei ebenfalls brillant phrasiert und mit gut abgestimmter Dynamik. Das Adagietto erschien ernst, aber nicht düster und wurde sehr ausdruckvoll geboten. Man ahnte bereits, dass Linda Horowitz mit ihrer ausgeprägten Kompetenz hier Erstaunliches zuwege bringen könne.
Denn nach der Pause stand das Requiem von Karl Jenkins (* 1944) auf dem Programm. Leider ist es bei der Musik ähnlich wie beim Essen, dem Bücherlesen und anderem mehr: viele Leute wollen immer wieder das, was sie bereits kennen. Die Schar derer, die bereit sind, sich auf Neues einzulassen, ist überschaubar wie die Zahl der Besucher des Konzertes – aber die wurden für ihre Offenheit mehr als belohnt.
Karl Jenkins mag manchen bekannt sein als Saxophonist, Oboist und Keyboarder, welcher ab 1972 in der legendären Artrockgruppe „Soft Machine“ mitwirkte, die für viele Musikbereiche einflussgebend war. Als Komponist vor allem auch von Chorwerken erobert er erst langsam von England aus den Kontinent. Sein Requiem aus dem Jahr 2004 überrascht mit schon in der Textauswahl: neben der Totenmesse tauchen mehrere japanische Haikus auf. Es finden sich in diesem Werk zahlreiche Anklänge an Epochen und Stile, von der Gregorianik über traditionelle fernöstliche Musik über Klassik und Romantik bis zur Moderne und darüber hinaus. Es ist dies allerdings kein Stilgemisch, sondern ein kompaktes Ganzes. Dennoch: insgesamt genommen wirkt das Requiem fast wie eine romantische Komoposition, mit einfallsreichen, schönen Melodien, einer milden Harmonik sowie flexibler und lebendiger Rhythmusgestaltung.



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Das Requiem ist spannend, mitreißend, emotional berührend und steht damit etwa dem von Mozeart in seiner Wirkung um nichts nach.
Dies alles gelang in der Umsetzung durch das um zwei Hörner und eine hervorragende Querflötistin erweiterte Kammerensemble, drei Percussionisten mit großem Equipment, der klangschönen Solo-Sopranisten Kirstin Rueges und dem Chor auf das Vortrefflichste. Letzterer zeigte sich ohne Schwachpunkte, das Orchester transparend und pointiert. Linda Horowitz leitete die Klangkörper zu einer brillanten Aufführung, die den vollen Reiz der Komposition ungeschmälert vermittelte.



Das tief beeindruckte Publikum applaudierte hingerissen und bekam noch den ausdrucksstaken Finalsatz zur Wiederholung, in dem nach allem Todesernst massvolle Fröhlichkeit herrscht, als Andeutung an Auferstehung und Heilserwartung.

Text & Bilder: Martin Krauss