...Wie kommt eine Kulturvereinsveranstaltung zustande... ...............

 

 

 

 

 

....................... und wie rechnet sie sich?

 


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Hinter den Kulissen

 

 

Bilder: Kathrin Jacob
Text: Martin Krauss

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Wir werden oft gefragt, wie wir als Veranstalter an unsere Künstler kommen, wie wir das Programm
zusammen stellen und wie das alles finanziert wird. Fragen, auf die wir im Einzelfall oft nur
ungenau Auskunft geben können. Das liegt zum einen an unserer Arbeitsteilung, durch die
derjenige, der nun gerade gefragt wird, gar nicht unbedingt alle Details der Veranstaltung,
ihrer Vorbereitung und der Konditionen kennen muss. Es liegt auch daran, dass sich diese
Dinge bei verschiedenen Veranstaltungen oft erheblich unterscheiden, und nicht zuletzt daran,
dass wir von den meisten Künstlern dazu verpflichtet werden, das Gagengeheimnis zu wahren,
weil sie von verschieden großen Veranstaltern auch unterschiedliche Gagen fordern und sich
nicht auf etwas festlegen lassen oder gar taxieren lassen möchten.
Dennoch halten wir das Interesse unseres Publikums an der Art und Weise, wie Veranstaltungen
zustande kommen, was sie kosten und was sie finanziell bringen, für berechtigt. Deswegen haben
wir an dieser Stelle eine fiktive, aber mögliche "Musterveranstaltung" in ihrer Entstehung und
mit Kosten und Einnahmen zusammen gestellt. So oder so ähnlich läuft es (meistens) ab.
Hier kommt's:



Es ist 19,30 Uhr an einem gewöhnlichen
Arbeitstag. Wir befinden uns in der Wohnung unseres Haupt-Programmverantwortlichen
(HPV), der gerade dabei ist, sich ein Abendbrot zu bereiten.
Da klingelt das Telefon. Es ist John Muster von der Band "Die Mustermänner", der fragt, ob er
richtig beim Kulturverein Lauterbach sei, er habe die Website gerade auf dem Monitor.
"Stimmt", kaut der HPV in die Muschel. Ja ob man denn mal beim Kulturverein auftreten könne,
sein Freund Teddy von "The Platzhalters" sei da doch schon einmal gewesen und habe ihm das
empfohlen. "Das kommt darauf an", sagt HPV, "Was macht ihr denn so?"
Es stellt sich heraus, dass "Die Mustermänner" ein Quartett von drei Männern und einer Frau (?)
sind, die mit Schlagzeug, Bass, Susaphon und Gesang eine gewagte Mischung aus der Folklore
von Musterland mit Jazz und Kammermusik machen. "Mustermix" nennen sie das. "Klingt gut",
sagt der HPV (das sagt er keinesfalls immer) und fragt "Kann ich denn davon mal etwas hören?" –
"Aber klar, auf unserer Website www.mustermix.mus gibt's auch mp3s."
Der HPV fordert die Band dann auf, doch bitte einmal eine Mail mit Link, eventuellen
zusätzlichen Besonderheiten und ungefähren Gagenvorstellungen zu schicken und erklärt,
dass der Kulturverein alle Angebote von Künstlern und Agenturen sowie Vorschläge aus der
Mitgliedschaft sammelt und sie dann auf der Programmklausurtagung im Herbst bespricht, um
ein ausgewogenes und interessantes, aber auch bezahlbares und für das Publikum attraktives
Programm daraus zusammen zu stellen. Bis dahin müssen sich die "Mustermänner" gedulden.
Solche Anrufe kommen mehrere im Monat, manchmal kommen auch direkt eMails oder Briefe.
Die Antwort ist jedesmal ziemlich die gleiche, außer bei Angeboten, die eindeutig nicht in
Frage kommen: zum Beispiel Klassik (da gibt es in Lauterbach schon viele gute Veranstalter,
an die der HPV auch gerne verweist), reine Schlagermusik, Bands mit zu großer Besetzung,
Angebote, die die finanziellen und räumlichen Möglichkeiten des Vereins eindeutig überschreiten,
eindeutig blödsinnige Angebote, die gibt es auch.
So füllt sich über's Jahr beim HPV ein Ordner auf dem PC und eine Kiste unter dem
Schreibtisch mit Anfragen, Demos, Flyern und dergleichen mehr. Aber dann...
dann naht der Oktober.

Während draußen die Blätter fallen,
versammeln sich die Vorstandsmitglieder des Kulturvereins zu ihrer Programmklausurtagung
in einem Raum, in dem es viel Platz, einen PC mit Internetzugang und Lautsprechern,
einen CD-Player und viel Kaffee gibt. Über zwei Tage hinweg sichten sie das eingegangene
Material und überprüfen es auf:

- künstlerische Qualität
- Originalität
- Publikumswirksamkeit
- technische Machbarkeit
- Finanzierbarkeit
- Eignung im Hinblick auf ein Gesamtprogramm (z.B. in einem Jahr keine 8 Jazzkonzerte).

Grundsätzlich machen sie sich noch Gedanken darüber, wie viele Termine überhaupt möglich sind
(da muss ein Raum zur Verfügung stehen und Leute, die helfen, es darf keine Überschneidungen
geben z.B. mit dem Prämienmarkt oder dem Finale der FIFA-WM und ähnliches mehr).
Es entsteht eine Vorauswahl von etwas mehr Angeboten, als Termine da sind, und der HPV geht
mit viel Arbeit nach Hause. Er muss jetzt die Künstler oder Agenturen der vorausgewählten
Künstler kontaktieren und mit ihnen über Programminhalte, Bühnengröße, Veranstaltungs-
technik, mögliche Termine sowie über die finanziellen Konditionen sprechen
(manchmal auch feilschen).
Nach einigen Wochen kristallisiert sich heraus, wie das Programm aussehen könnte. Nun
müssen Räume reserviert, eventuell mit Kooperationspartnern gesprochen werden und über
alles der Vorstand unterrichtet sein, weil der letztendlich beschließt. Dann erhalten alle
Künstler einen Vertrag.
Nun steht ein Programm (es ist darüber Januar geworden) und wir wissen:
"Die Mustermänner" sollen am 2. Freitag im Juli im Gewölbekeller unter Schloss Eisenbach
auftreten. Gut.
Alle diese Informationen wollen nun auch noch vermittelt werden. Wir brauchen ein
Programmheft. Dazu brauchen wir von allen Künstlern Texte und Fotos, die diese in höchst
unterschiedlicher Qualität zur Verfügung stellen. Und der PR- und IT-Beauftragte des
Kulturvereins trägt alle Informationen zusammen, sucht und findet Anzeigenkunden, die auch
Vorlagen für ihre Inserate liefern müssen, macht aus allem ein hübsches Programmheft und
eine Website, reserviert nebenbei Hotelzimmer und kümmert sich darum, ob die Künstler
Plakate zur Verfügung stellen oder ob man selbst welche machen muss. Dann will rechtzeitig
auch die Presse informiert werden, und zwar 4 Tageszeitungen, 3 Wochenblätter, ein
Monatsblatt und 2 Radiosender, dass "Die Mustermänner" in Lauterbach auftreten werden.

Vor der Veranstaltung ist dann noch
allerlei zu tun. Jemand druckt Eintrittskarten und beliefert damit die Vorverkaufsstellen. Jemand
stellt einen Helferplan auf, damit an Kasse sowie zum Auf- und Abbau genug Leute da
sind, evtl. muss noch am Veranstaltunsgsort gearbeitet werden (im Gewölbekeller, der den
Winter über nicht genutzt wird, muss geputzt werden und Tische und Stühle gestellt, es muss
der notwendige Kleinkram wie Kerzen und Servietten gekauft werden, etc.pp.); der Techniker
installiert Licht und Ton. Dies alles geschieht ehrenamtlich nach oder zwischen der Arbeitszeit
unserer Helfer!
Nun kann die Veranstaltung beginnen. Jemand holt die Künstler vom Bahnhof ab, zeigt ihnen ihr
Hotel, geht mit ihnen etwas Essen und bringt sie rechtzeitig zum Soudcheck in den Gewölbekeller.
Alles klappt. Kommen auch Gäste?

Es geht ganz gut. An diesem
Abend kommen 60 Leute, die "Die Mustermänner" sehen und hören wollen. Die Musiker
und ihre Musik sind klasse, auch der extra eingeladenen Pressevertreter ist angetan und
fotografiert heftig. Das Publikum klatscht begeistert und kauft den Künstlern hinterher acht
CDs ab. Bis jetzt alles abgeräumt ist, ist es 23,30 Uhr. Wir freuen uns!

Kommen wir zum Finanziellen:

Von den 60 zahlenden Gästen waren 4 Schüler und 2 Studenten, die den ermäßigten Eintrittspreis
von 8 Euro gezahlt haben, alle anderen zahlten 12 Euro. Eintrittseinnahmen: 696,- Euro!
Im Gewölbekeller gibt es auch immer zu essen und zu trinken, das macht der ansässige
Gastronom, mit dem wir gern und gut zusammen arbeiten, das spart uns eine Menge
Arbeit - Einnahmen haben wir dadurch dann freilich keine.
Immerhin 696 Euro sind in der Kasse! Nun zu den Ausgaben.
Gagen sind ein schwieriges Thema, aber man kann sagen, dass es schon vorgekommen ist,
dass ein Quartett für 600 Euro Gage beim Kulturverein aufgetreten ist. Das sind 150 Euro
pro Person.
Viel für 1,5 Stunden Musik machen? Nun ja, "Die Mustermänner" kommen aus Köln und saßen
schon mal drei Stunden im Zug. (Dafür haben wir uns vorab für einen Fahrtkostenzuschuss
von 100 Euro geeinigt, der die Ausgaben der Band nicht einbringt). Sie haben eine Stunde
für den Soundcheck aufgewendet. Sie haben geübt und geprobt... Nein, 600 Euro sind in den
meisten Fällen eigentlich unwürdig wenig für eine gute Band (die meisten Bands kosten uns
auch tatsächlich mehr) – aber auch die Bands wissen, dass die Veranstalter häufig nicht sehr
viel zahlen können. – Aber in Wahrheit kriegen wir für diesen Preis kaum ein Quartett,
manche Einzelkünstler verlangen (zu recht) einen solchen Preis, meist je nach ihrem
Bekanntheitsgrad.
Die drei "Mustermänner" und eine Musterfrau brauchen (o lá lá) 2 Einzel- und ein Doppelzimmer.
(Wer mit wem wird nicht verraten!) Kosten mit viel Wohlwollen 150 Euro.
Die Eindrucke in die Plakate haben uns 20 Euro gekostet. In die Technik haben wir anteilig
ebenfalls 40 Euro investiert, zudem 10 Euro in das Inventar des Gewölbekellers.
(Es gibt auch Konzerte an anderen Orten – soweit es Gastronomiebetriebe sind müssen wir
sogar Saalmiete zahlen und haben keine Einnahmen durch Getränkeverkauf!) Für jede
Musikveranstaltung müssen wir im Schnitt 80 Euro GEMA-Gebühr bezahlen. Wir haben
eine kleine Anzeige in "Auf dem Vulkan" für insgesamt 3 Veranstaltungen aufgegeben,
das sind pro Veranstaltung nochmal 25 Euro. Den Aufwand an Büromaterial, Telefon,
Vorlagen für Eintrittskarten, Kopien etc. pp. tragen die Leute, die diese Aufgaben inne haben,
meist selbst, es bleiben pro Veranstaltung aber gerne nochmal 2 Euro hängen. Für die
Verpflegung der Künstler (essen und trinken müssen die auch, und da wollen wir sie auch
zufrieden stellen) mussten wir 80 Euro aufwenden.


Ausgaben in Bezug auf den Auftritt der "Mustermänner" insgesamt also 1107,- Euro
(Bei Veranstaltungen aus den Bereichen Kabarett, Lesung oder Theater sind die oben genannten
Vorgänge und Zahlen durchaus vergleichbar.)

Merken Sie was? Selbst bei
der gut besuchten Veranstaltung mit regem Verzehr und günstiger Gage bleibt der
Kulturverein auf einem Defizit von 411 Euro sitzen. (Wohlgemerkt: das ist ein Beispiel,
das ist mal mehr, mal weniger.) Und das Defizit ist in Wirklichkeit noch größer, denn
selbstverständlich müssen die Einnahmen durch Getränkeverkauf versteuert werden, wir
müssen Versicherungen abschließen und noch ein paar Kleinigkeiten mehr. Wie soll das gehen?

Rechnen wir also mal ganz grob mit einem Defizit von 400 Euro pro Veranstaltung und 10
Veranstaltungen im Jahr (sicher, manchmal kommen auch 120 Leute, aber manchmal eben
auch nur 30...) so muss der Kulturverein 4.000 Euro pro Jahr zuschießen.
Der Kulturverein hat rund 70 Mitglieder die 20 Euro im Jahr bezahlen. Diese Einnahme von
1400 Euro deckt immerhin einen Teil des Defizits. Früher bekam der Kulturverein
Zuschüsse von Stadt und Kreis, diese Mittel sind uns vollkommen gestrichen worden.
(Während die Stadt Lauterbach im Tourismus-Bereich aber gerne mit unseren
Veranstaltungen wirbt...) Spenden erhält der Kulturverein kaum.

Wir müssen also in der Finanzierung neue Wege gehen. In der neuen Kooperation mit der
Sparkasse Oberhessen können wir beim "Vogelsberger Gipfel-Kabarett" und bei der Reihe
"Der Vulkan läßt lesen" des regionalen Energieversorgers OVAG durch die Stellung
der Veranstaltungstechnik und Getränkeverkauf Spenden generieren und etwas Geld verdienen,
dies ist jedoch mit einem sehr hohen Aufwand an Arbeitszeit verbunden. Es ist nicht immer leicht,
Menschen zu finden, die dazu bereit sind.
Was uns als regionalem Kulturveranstalter, der bemüht ist, ein gutes Niveau zu halten, extrem
helfen würde, wären Menschen, die bei uns Mitglied werden. Noch mehr würden freilich solche
helfen, die auch Zeit und Lust haben, einmal je nach ihren Fähigkeiten und Neigungen
mitzuarbeiten. Wir haben solche Freunde und Helfer, aber selten genug.

Für Fragen zu diesem Text und seinen Berechnungen können Sie jederzeit eine eMail an
info@kulturverejn-lat.de
schicken.
Einen Mitgliedsantrag und weitere diesbezügliche Informationen finden Sie hier.

Vielen Dank für ihr Interesse.
Der Vorstand des Kulturverein e.V., Lauterbach
September 2013