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Brisant, aufrüttelnd und auch komisch
Frauenkabarett in der Vogelsbergschule mit Gisela Elisabeth Marx und Dorrit Bauerecker

Es war ein gewagter Wellenritt zwischen den Welten nationalsozialistischer Parolen und den dazugehörigen damaligen Vorstellungen von der Rolle der Frau. Und: Es war der bohrende Finger, der in die noch nicht geschlossene Wunde gelegt wurde. Der manchmal recht unangenehm nachhakte und die Frage schließlich im Raum stehen ließ: „Kann es alles wieder von vorne losgehen?” Um Frauen ging es den beiden hochmusikalischen Kölner Kabarettistinnen in jedem Falle bei ihrem Stück.
Eine kleine schwarz verhangene Bühne hatte man aufgebaut in der Lauterbacher Vogelsbergschule, vier alte Stühle aufgestellt, ein Klavier, ein Akkordeon. Sparsam ausgewählt die Requisiten, mit denen die ältere Klara (Gisela Elisabeth Marx) und die um zwei Generationen jüngere Paula (Dorrit Bauerecker) auf Zeitreise gingen. Vornehmlich in die Jahre direkt vor und zum Ende des zweiten Weltkrieges, hier verankerten sie die Frage, die gleichzeitig als Titel ihres Programms gilt: „Kann denn Jubeln Sünde sein?” Eigentlich ja wohl eher nicht. In diesem Falle allerdings wurde die Frage durch die historischen Gegebenheiten des dritten Reiches zu einer rein rhetorischen. Lachen hörte man es in manchen Momenten aus dem Publikum. Viel öfter jedoch schnürten einem Zitate aus Orginalschriften, die Gedanken und Original-Töne aus dem knackenden Volksempfänger die Kehle zu. Hitler- oder Göbbelsreden waren zu hören oder solche von Frauenfiguren, die in der NS-Zeit Vorbildfunktionen erfüllten. Erziehungstipps konnte man erfahren oder immer wieder das, was die damalige Frauenrolle und das hinlängliche Verständnis um diese ausmachte. Bedingungslos mitgenommen wurde das Publikum bei dieser gut besuchten Veranstaltung, die unter der Leitung von Hildegard Maaß gemeinsam vom Arbeiterkulturkartell Vogelsberg und .dem Kulturverein Lauterbach organisiert wurde. In wohligen Erinnerungen schwelgte die Ältere der beiden des Kölner Kabaretts „Generationenkomplott”, die Jüngere agierte mit pubertärem Piercing in der dicken Lippe, die sie jeweils im aufmüpfigen Clinch riskierte. Emotional wurden die Besucher am strikten Faden gehalten. Gesanglich sicher auf der Höhe zeigte sich Gisela Elisabeth Marx bei so manchem musikalischen Exkurs. Noch gewaltig einen drauf setzte Domt Bauerecker: Mit Musik auf hohem Niveau sprang sie immer wieder in die Bresche. Selbst geschriebene Arrangements, bestens eingefädelt in den Kontext, hervorragend gespielt und gesungen von ihr. Von Kind auf ist sie beim Akkordeon zu Hause, studierte später Klavier. Sie servierte wechselweise als sittsam dreinschauendes BDM-Mädel mit „Rattenschwänzen” frisiert Volksweisen oder schwingende Melodien aus der leichten Unterhaltungsmusik der 30-er. Schließlich der gekonnte Überschlag in andere Sitten und andere Zeiten: Als freche Göre in Mini und groß durchlöcherten Netzstrümpfen scheuchte die Vollblutmusikerin das Publikum mit einem einstmals als "Negermusik" verschrieenen Boogie-Woogie und mit einem Rap in die so andere Dimension einer Demokratie.
Ein spannender Abend voller Brisanz und rüttelnder Momente an den nicht mehr festen Festen.

Margret Perkuhn

 

Die Veranstaltung "Kann denn Jubeln Sünde sein" kam beim Publikum bestens an.
Viele Stimmen lobten vor allem den Aktualitätsbezug der Inhalte - wie zum Beispiel die Warnung der Nationalzozialisten vor dem Aussterben der Deutschen durch angeblich zu niedrige Geburtenrate. Bei vielen Zitaten bzgl. der Rolle der Frau war es in der Tat kaum zu erraten, ob die Aussagen aus der Zeit des Dritten Reichs, von konservativen Kreisen aus der Nachkriegszeit oder aus dem Umfeld der katholischen Kirche stammten. So etwas kann schon nachdenklich machen.

Nachfolgend noch ein paar Fotos von der Veranstaltung:

Bilder: Krauss

 

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